Camino Invierno - Informationen zu Jakobswegen

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Camino Invierno

Der Camino Invierno ist ein historisch belegter Umweg des Camino Frances.
Er zweigt heute in Ponferrada nach Süden ab und erreicht über Las Medulas, O Barco, A Rua, Quiroga, Monforte de Lemos, Chantada und Rodeiro bei Lalin die Via de la Plata. Überlegenswert wäre im Winter bereits ein Abbiegen vom Camino francés in Astorga. Hermann Künig von Vach hat dies bereits im Jahre 1495 in seinem Pilgerführer "Die walfahrt und Straß zu sant Jacob" beschrieben:

So kommst du nach Storgeß (Astorga) zur Hand
Willst du aber folgen meiner Lehre
so sollst du dich zur rechten Hand kehren
Da brauchst du keinen Berg anzusteigen
Du läßt sie alle auf der linken Hand liegen
Hüte dich vor der Rabenel (Rabanal) ist mein Rat
Auf dieser Straße kommst du bald nach Bonforat (Ponferrada)
Aus: Künig, Hermann: Pilgerführer nach Santiago de Compostela (1495). Originaltext und Nachschrift in heutiger Schreibweise.
Hrsg. von Ludwig Hengstmann. Einleitung und Anmerkungen von Heinrich Wipper. Solingen, Verlag U. Nink, 2. Aufl. 1998
Ab Lalín sind es dann noch zwei Etappen nach Santiago de Comopstela. Der Weg wird relativ selten begangen, die Infrastruktur ist ausbaufähig. Es gibt einen spanischen Führer mit dem ich Probleme hatte, da man sich auf die Kartenskizzen nicht verlassen konnte.

Ich starte nach getaner Arbeit an einem Freitagnachmittag in Richtung Frankfurt/Hahn. Ryanair bringt mich wie üblich pünktlich und preiswert nach Madrid. Nach einer Übernachtung in Flughafennähe fahre ich am frühen Morgen mit einem Luxusbus der Fa. Alsa nach León. Dort habe ich in einer kleinen Pension ein winziges Zimmer vorgebucht. Am Nachmittag besichtige ich ausgiebig die wunderschöne Kathedrale mit ihren schönen Fenstern. Fotografieren ist wieder erlaubt. Dafür zahlt man als Tourist 5 € Eintritt.
Es fängt an, ein bisschen zu nieseln, aber es stört nicht.

1. Pilgertag: Leon - Villadangos (20,8 km)

Wie üblich stehe ich um 6.00 Uhr auf und mache gegen 6.30 Uhr auf den Weg. In einer Großstadt ist das kein Problem. Die Straßenbeleuchtung hilft mir bei den ersten Kilometern. Es sind auch um diese Zeit schon eine ganze Menge Pilger unterwegs. Die erste Rast machen fast alle in Virgen del Camino. Die Wallfahrtskirche wird gerade von einem der Dominikanerpatres aufgeschlossen. Ich bin erstaunlicherweise der einzige Pilger, der die Kirche betritt, so komme ich kurz zur Ruhe.

Nach äußerlicher und innerer Einkehr geht es gestärkt weiter. Auf dem Camino Frances benötigt man keinen Führer, so viele Pilger sind unterwegs.
Der Weg ist auch bestens ausgeschildert. Gegen 11.45 Uhr komme ich in Villadangos an. Für den ersten Tag reicht mir die Strecke und ich beziehe in einem Hostal mein Quartier. Die meisten Pilger gehen weiter. Im Ort ist Mittelaltermarkt, so dass es mir am Nachmittag nicht langweilig wird. Der Versuch, die dem Apostel Santiago geweihte Kirche anzuschauen, scheitert wie so oft an geschlossenen Türen. Der Turm sieht allerdings sehr baufällig aus.

Am Abend genieße ich ein Menu del dia und gehe dann früh schlafen.

2. Pilgertag: Villadangos - Astorga (28,9 km)

Um 6.20 Uhr breche ich auf. In San Martin ist an die Herberge eine Bar angeschlossen und so bekomme ich recht früh ein richtiges Frühstück. Bis Puente del Orbigo geht es fast immer an der N 120 entlang. Da für die Pilger aber ein eigener Weg angelegt ist. empfinde ich dieses Stück nicht so schlimm, wie es R. Joos in seinem Führer beschrieben hat. Über die sehr lange mittelalterliche Brücke erreiche ich schließlich Hospital del Orbigo.

Am Ortsende gibt es zwei Wegvarianten. Ich wähle den Weg, der von der Nationalstraße wegführt. In Villares de Orbigo finde ich wieder eine offene Bar. Dann gehe ich bis Astorga durch. Die Anzahl der Pilger - auch mit Fahrrad - ist nach meinem Empfinden sehr hoch. Für einige von ihnen ist in Astorga der Weg allerdings vorläufig zu Ende. Nicht jeder hat so viel Urlaub, dass er in Südfrankreich oder sogar zu Hause starten kann und bis Santiago durchlaufen kann. Gegen 14.15 Uhr finde ich eine Unterkunft. Die Besichtigung von Astorga wird zu einem Flop. Es ist Montag und da ist alles geschlossen. Nicht einmal die Kathedrale wird für ein paar Minuten geöffnet. Wenigstens in den Garten des Bischofspalastes kann ich gehen.

Für den Abend habe ich mich mit einem spanischen Mitpilger am Plaza Mayor zum Essen verabredet. Ich treffe ihn leider nicht. So muss ich alleine Essen gehen. In einem sehr schönen Restaurant bekomme ich für 10 € ein ausgezeichnetes Menü. Außer mir ist nur noch ein deutsches Pilgerpaar anwesend.

3. Pilgertag: Astorga - Foncebadon (25,4 km)

Zum ersten Mal verschlafe ich auf dem Camino. Um 6.37 Uhr werde ich durch einen unglaublichen Krach geweckt. Gegen 7.00 Uhr verabschiede ich mich ohne Frühstück. Kurz nach Astorga treffe ich auf Melanie und Artur, zwei junge deutsche Pilger. Bis Ponferrada laufen wir zusammen. Bei Valdeviejas ist die Kapelle Ecce Home schon am frühen Morgen geöffnet. Wir gehen hinein und bekommen sogar einen Pilgerstempel. Wir kehren in El Ganso in einer Bar zu einem kleinen Frühstück ein. Ich möchte eigentlich nur bis Rabanal gehen. Melanie überzeugt mich bis Foncebadon zu pilgern. Ihr Hauptargument: Dann kann man am nächsten Morgen den Sonnenaufgang am Cruz de Ferro erleben. Es ist sehr heiß und auf der kurzen Strecke von Rabanal bis Foncebadon verbrauche ich einen Liter Kas. Foncebadon hat sich seit ich zum letzten Male hier war gewaltig verändert.

Damals gab es nur Ruinen, heute gibt es dort drei Herbergen. So kommen alle Pilger gut unter. Um 19.00 Uhr ist in einer der Herbergen sogar eine Messe.

4. Pilgertag: Foncebadon - Ponferrada (28,2 km)

Gegen 6.25 Uhr breche ich alleine im Dunkeln auf. Wie besprochen treffe ich Melanie und Artur am Cruz de Ferro. Im Morgengrauen sind sehr viele Pilger am Kreuz.

Wir ziehen zu dritt weiter und kehren kurz bei Tomas in Manjarin ein. Danach machen wir uns auf den langen Weg ins 1000 m tiefer gelegene Tal. In El Acebo machen wir eine ausführliche Frühstückspause. Nun ist es richtig heiß. In Molinaseca ist eine Kirche offen. Sie ist der "Stma. Virgen de las Angustias" geweiht. Auch hier erhalten wir einen Pilgerstempel. In Molinaseca kehren wir zu Mittag ein. Melanie und Artur treffen hier einige "alte Bekannte". In glühender Mittagshitze ziehen wir nach etwa einer Stunde weiter bis zur Herberge in Ponferrada. Hier stehen wir erst einige Zeit an, bis wir bedient werden. Man weist uns dann in einem Kellerraum drei Betten zu. Insgesamt stehen nur in unserem Keller 40 Betten. Nach dem üblichen Duschen und Waschen gehe ich für den nächsten Tag einkaufen, da die Infrastruktur auf dem Camino Invierno nicht so gut sein soll. Ab Ponferrada werde ich mich alleine auf den weiteren Weg machen. Der Camino Invierno beginnt hier. Da ich einschließlich An- und Abreise knapp drei Wochen Zeit habe, beginne ich nicht in Ponferrada, sondern nutze die Strecke ab Leon zum Eingehen. Auch das Überqueren der Montes Leones an meinem dritten und vierten Tag war sicher sinnvoll.
Für den Abend nehmen wir uns vor, einige Tapas zu probieren. Bei meiner Einkaufstour habe ich auch zwei Tapas-Bars entdeckt. Da wir zu einer für Spanier absolut unüblichen Zeit dort sind, bekommen wir auch nichts zu essen. Mehrere Versuche schlagen fehl. Schließlich landen wir bei einem Döner-Laden. Besser Döner als gar nichts. Nach dem tollen Abendessen geht Melanie einkaufen; ich gehe mit Artur noch in die Kirche Santa Maria de la Encina und in die Burg. Beide sind tatsächlich geöffnet.
Für die Burg benötigt man eine Eintrittskarte, die allerdings nichts kostet. Danach gehen wir in unsere gemütliche Herberge zurück.

5. Pilgertag: Ponferrada - Las Medulas (27,8 km)

Wir stehen ganz früh am Morgen auf und verabschieden uns in der Herberge in der Hoffnung, dass wir uns in Santiago wiedersehen.
Ich gehe also die ersten Meter mit der großen Truppe und biege dann am ersten Kilometerstein des Camino Invierno ab.

Kurz darauf  bemerke ich hinter mir zwei Pilger; ich warte. Es sind Melanie und Artur: Willst Du nicht doch mit uns den Frances gehen? Ich würde gerne, freue mich aber auch auf den Invierno. Wir verabschieden uns ein zweites Mal.
Was jetzt auf mich zukommt, weiß ich nicht. Der Camino Invierno ist ziemlich unbekannt. Auch die meisten Spanier kennen ihn nicht. Es gibt nur einen spanischen Führer, dessen Qualität man mit keinem deutschen vergleichen kann. In den Kartenskizzen kann man sich auf keinerlei Maßstäbe verlassen. Mal sind 2 cm auf der Karte 5 km in Wirklichkeit und dann auf derselben Karte 5 cm in Wirklichkeit nur 2 km. Mein Spanisch ist sehr schlecht. Aber: Ortsnamen auf der Karte sollten im Begleittext stehen und umgekehrt.
Mir stehen also einige interessante Tage bevor.
Meine Planung sieht vor, am ersten Invierno-Tag bis Borrenes zu gehen und dort in einem Casa Rural zu übernachten.
Ich gelange ganz gut nach Toral de Merayo. Dort kommt mir eine ältere Dame mit freilaufendem großem Hund entgegen, der mich nicht mag. Ich muss ihn mehrfach laut anbrüllen und mit meinen Wanderstöcken von mir abhalten, bis seine Besitzerin ihn endlich an der Leine hat. Sie entschuldigt sich wenigstens. Im ganzen Ort gibt es einen einzigen Pfeil. Notfalls gehe ich immer geradeaus oder folge dem größeren Weg. Dann geht es sehr steil durch einen Weinberg hinauf und auf der anderen Seite ebenso steil wieder zur Straße hinab. In Santalla soll es an der Straße eine Bar geben. Ich verlasse also den Camino und folge der Straße und finde zwei geschlossene Bars. Eine freundliche Spanierin ruft die Besitzerin, die mir dann einige Getränke verkauft. Ich bleibe weiter auf der CL-536 bis ich wieder auf den Camino treffe. Von der Straße aus sehe ich in weiter Entfernung und großer Höhe eine zerfallene Burg vor mir. Es ist die alte Templerburg Castillo de Cornatal. Der Camino führt nun tatsächlich um den ganzen Berg herum bis zur Burg hinauf. Auf der anderen Seite geht es dann wieder recht steil zur bekannten CL-536 zurück. Für Radpilger ist dieser Abschnitt kaum machbar; also gleich auf der Straße bleiben und einige Kilometer sparen. Um die Mittagszeit erreiche ich Borrenes, finde das Casa Rural aber verschlossen. In einer kleinen Bar sagt man mir, dass es zwecklos sei, im Dorf nach einer Unterkunft zu suchen. Also marschiere ich weiter nach Las Medulas. Nach etwa acht Stunden komme ich dort ziemlich geschafft an, erhalte aber ein schönes Zimmer. Nach Duschen und Waschen gehe ich ins gegenüberliegende kleine und feine Museum. Zu einer ausgiebigen Besichtigung der Goldminen bin ich zu kaputt. Der erste Eindruck ist jedoch beeindruckend.

Zurück in meiner Unterkunft stelle ich fest, dass mein Ladegerät für meine Kamera fehlt. Jetzt muss ich sparen. Abends gönne ich mir einen russischen Salat, nicht gut, aber besser als nichts.

6. Pilgertag: Las Medulas - O Barco (30,2 km)

Ich stehe wie immer sehr früh auf, da eine lange und heiße Etappe vor mir liegt. Nach Wetterbericht soll es heute mit 38 Grad Celsius in ganz Spanien am kühlsten sein. Weniger würde mir auch reichen, aber ich kann es nicht ändern. Die ersten beiden Stunden sind auf staubigen Nebenstraßen noch sehr angenehm zu gehen. Dann komme ich in Puente de Domingo Florez an einer Bar vorbei. Nach meinen Erfahrungen kann ich jetzt nur sagen, dass man am Camino Invierno an einer offenen Bar nicht vorbeigehen sollte. Es gibt also ein kleines Frühstück. Am Ortsende wird es kritisch. Es sind teilweise gelbe Pfeile vorhanden, die aber so abenteuerlich aussehen, dass ich es nicht glauben kann. Ich gehe zweimal im Kreis, bis mir eine spanische Dame erkklärt, dass ich wirklich auf dem richtigen Weg bin. Nach mir endlos lang erscheinender Zeit kommt tatsächlich wieder eine Markierung. Ich bin wirklich noch auf dem richtigen Weg. Zwischenzeitlich bin ich wohl auch in Galicien. Die Kennzeichnung in diesem Abschnitt ist extrem schlecht. In Pumares komme ich an einem Brunnen vorbei. Einheimische bestätigen mir, dass das Wasser trinkbar sei. Also werden alle Flaschen aufgefüllt. In Sobradelo gibt es auch eine offene Bar. Hier gibt es eine Cola. Mittlerweile ist es sehr heiß. Die letzten Kilometer nach O Barco machen keinen Spaß. Nach längerer Suche finde ich in der Pension Viloira eine Unterkunft. Sie liegt etwas abseits vom Weg auf der "falschen" Flussseite. Nach Duschen und Waschen finde ich gegenüber eine kleine Bar, wo ich einen großen Hamburger bekomme.
Auf dem Hausberg brennt es seit geraumer Zeit. Die Straße wird bis zu meiner Pension gesperrt. Zwischenzeitlich sind drei Hubschrauber und ein Löschflugzeug im Einsatz. Feuerwehr und Polizei haben Großeinsatz. Das Feuer kommt bis auf etwa 10 m an die ersten Häuser. Ich schlafe trotzdem tief und fest.

7. Pilgertag: O Barco - A Rua (14,1 km)

Laut spanischem Führer muss ich bis zu einem Kreisverkehr immer geradeaus gehen. Dazu brauche ich immerhin eine Stunde. Außerhalb der Gemeinde schaue ich zurück und sehe, dass es immer noch brennende Stellen am Berg gibt. Landschaftlich folgt nun bis zum Santiago-Stausee bei Vilamartin ein besonders schönes Stück weg. Eine alte Brücke ist auch nach dem Apostel benannt. An der Staumauer zeigt ein gelber Pfeil geradeaus. Alles andere würde auch keinen Sinn machen. Eine Spanierin stoppt ihren Wagen und erklärt mir freundlich aber bestimmt, dass ich über die Staumauer auf die andere Seite müsste. Der Camino de Santiago würde drüben immer geradeaus weitergehen. Als ich ihr den gelben Pfeil zeige ist sie ziemlich überrascht und lässt mich weiterziehen.
In A Rua angekommen, verlasse ich den offiziellen Weg und suche mir eine Unterkunft. Ich bin zwar nur 14 km gelaufen. Die nächste Unterkunft kommt aber erst in ca. 26 km. Einen Fast-Marathon möchte ich mir nicht antun. Nach dem üblichen Pilgerritual gehe ich in einen Supermarkt und besuche anschließend die Kirche Fatima Fontei. Wie zu befürchten war, ist sie geschlossen.

8. Pilgertag: A Rua - Quiroga  (26,6 km)

Bis Fontei geht alles gut. Nach spanischem Führer soll ich durch einen Tunnel unter der N 120 hindruch. Den Tunnel plus gelbem Pfeil finde ich problemlos. Danach geht es sehr steil den Berg hinauf bis der Weg in einer Sackgasse endet, also zurück. Es kommt ein zweiter Tunnel, der ebenfalls mit einem Pfeil gekennzeichnet ist. Hier bin ich wieder richtig. Möglicherweise hätte ich beim ersten Tunnel sofort nach links abbiegen müssen, aber da war keinerlei Markierung. Bis Albaredos habe ich nun nur Asphalt unter den Füßen. Heute gibt es auf der ganzen Strecke keine einzige Bar. Die Dörfer sind auch so winzig, dass sich eine Bar nicht lohnen würde. Ich sehe auch kaum Menschen. Was nervt sind die pilgerunfreundlichen Hunde. Ohne Pause geht es über Montefurado, Hermidon, Bendillo nach Soldan. Ich freue mich auf das im Führer angegebene Kiosk, leider geschlossen. Einige Wge sind so zugewuchert, dass ich teilweise auf der LU-933 bleibe. Ich habe heute ja die Provinz Ourense verlassen und bin nun in der Provinz Lugo. Weiter geht es über Sequeiros, Novais nach Quiroga, wo ich wieder in einem Hostal unterkomme. In Quiroga gibt es  eine sehr zentral gelegene Herberge. Beim Blick auf ihre Rückseite habe ich mich für das Hostal entschieden. Am Nachmittag versuche ich die Kirche San Martino zu besichtigen. Sie ist wie zu vermuten leider geschlossen, hat aber eine interessante Seitentür.

9. Pilgertag: Quiroga - Monforte (32,8 km)

Früh wie jeden Morgen geht es heute schnurgerade aus Quiroga hinaus. Nach der Unterquerung der Nationalstraße bin ich mir lange unsicher, ob ich richtig bin. Es dauert lange bis wieder eine Markierung kommt. Es geht immer weiter auf der LU-933. Pfeile sind äußerst selten. Nach ca. 7,5 km zeigt ein Pfeil steil in den Wald hinein und in die Richtung zurück, aus der ich gerade gekommen bin. Ein paar wilde Hunde nehmen mir die Entscheidung ab. Ich bleibe auf der Landstraße - und zwar bis Montforte. Unterwegs geschieht ein kleines Wunder. In Barxa de Lor existiert das Hostal Pacita und ich bekomme dort wirklich ein Frühstück. Nach zehn Minuten geht es weiter. Gegen 12.00 Uhr sehe ich in einem kleinen Dorf einen noch kleineren Laden. Er ist geöffnet. Ich gönne mir per und Banane einige Vitamine. Frisch gestärkt geht es flott weiter. Nach etwa 7 h 40 min komme ich in Monforte an und bekomme im Hostal Mino eine Unterkunft. Beim ersten Rundgang sehe ich Los Escalapios, Puente viejo und die Burg. Ich beschließe nicht auf die Burg zu steigen. Knapp 32 Kilometer reichen mir für den heutigen Tag. Am späten Nachmittag beschließe ich dann aber doch noch, einen Rundgang um die Burg zu machen. Das Parador in der Burg ist nicht ganz meine Preisklasse. Eine offene Kirche finde ich im Ort nicht. Zum Abendessen gibt es Tortilla mit Cola. Die Nacht ist sehr kurz, da in Monforte bis 3.00 Uhr lautstark ein Fest gefeiert wird.

10. Pilgertag: Monforte - Monforte (7,0 km)

Beim Aufbruch um 6.30 Uhr nieselt es. Also zum ersten Mal Regenschutz aus dem Rucksack. Am Tag vorher habe ich in der Tourist-Info einen ganz tollen Stadtplan bekommen. Leider bezieht er sich nur auf die Innenstadt. Vom Jakobsweg wusste die Dame auch nichts. Ich sehe weder einen Pfeil noch eine Muschel. Der erste Spanier, den ich frage, schickt mich in die falsche Richtung. Der zweite versteht statt A Corga Astorga und hat auch keine Ahnung vom Camino. So kommt, was kommen muss. Ich verlaufe mich grandios. Nach einer guten Stunde bin ich wieder an einer Stelle, wo ich schon einmal war. Jetzt finde ich auch eine Muschel. Aber bei einer Etappe von etwa 30 km sind 5 km Umweg am frühen Morgen einfach zu viel. Außerhalb von Monforte nehme ich ein Zimmer im Hotel Terra Galega und mache einen halben Ruhetag. Zurückgelegt habe ichsage und schreibe 7 Kilometer. Dafür gibt es ein gutes und ausreichendes Mittagessen. Es regnet den ganzen Tag mehr oder weniger. Am späten Nachmittag mache ich noch einen ausgiebigen Spaziergang, um die Strecke für Morgen zu erkunden.

11. Pilgertag: Monforte - Chantada (28,4 km)

Nach dem normalen frühen Start geht bis A Corga auf der Landstraße alles gut. In A Corga selbst ist die Kennzeichnung wieder sehr schlecht. Dann kommt der Abschnitt um Castrotane. Hier ist wohl seit Wochen kein Pilger mehr durchgekommen. Durch das Gestrüpp werde ich bis zur Hüfte klatschnass. Meine Regenjacke bekommt einige neue Löcher durch Dornen, denen man mangels Platz nicht ausweichen kann. Hier hat man wohl kein Interesse an Pilgern. Laut spanischem Führer soll hier die Engländerin Penelope Anderton eine Herberge und ein Casa Rural aufbauen. Ich sehe tatsächlich ein Auto mit britischem Kennzeichen. Eine menschliche Person ist nicht zu entdecken. Wiederum geht es durch unzumutbares Gelände. Nach geraumer Zeit erreiche ich wieder eine Landstraße. Hier begleiten mich zwei mittelgroße freundliche Hunde für mehrere Kilometer. Kurz vor Diamondi mache ich den beiden klar, dass sie doch wieder nach Hause laufen sollen. Ab Diamondi geht es sehr steil ins Tal des Mino hinab. Tipp: Ich gehe nicht gleich über die Brücke, sondern die Straße nach rechts etwa 100 m. Dort befindet sich eine Bootsanlegestelle mit Bar. Sie hat offiziel noch nicht auf; ich bekomme dennoch einen cafe con Leche. Der Barkeeper ist völlig erstaunt mich gegen 12.00 Uhr zu sehen. Er will wissen, wann ich gestartet bin und meint, dass Pilger in der Regel ab 14.00 Uhr auftauchen. Nach meinem Kaffee muss ich zurück zur Brücke und auf der anderen Seite die verlorenen Höhenmeter ebenso steil wie zuvor wieder gutmachen. Gegen 14.00 Uhr komme ich in Chantada an und finde in der Nähe der Kirche im Hotel Mogay ein Zimmer mit 12,5 % Pilgerrabatt. Da heute Mariae Himmelfahrt ist, haben alle Läden geschlossen. In einer winzigen Bar hat man Erbarmen mit mir und macht mir eine Tortilla in der Mikrowelle warm. In dieser Bar kaufe ich mir auch noch Getränke für den nächsten Tag. In Chantada finde ich eine alte und eine sehr moderne Kirche. Beide wie üblich verschlossen.

12. Pilgertag: Chantada - Rodeiro (31,4 km)

Wie immer starte ich sehr früh. Die Richtung ist klar: Immer geradeaus. Bis Abral geht auch alles gut, dann nehme ich wohl eine falsche Abzweigung. Nach vielen Fragen und mehr oder weniger qualifizierten Antworten gelange ich schließlich über Joanin und Laxe kurz vor dem Alto de Faro wieder auf den bezeichneten Camino Invierno. Sogar in 1100 m Höhe ist es sehr warm. Die nächsten 5 Kilometer geht es auf einer sehr breiten Piste immer von Windrädern begleitet hinunter auf 880 m Höhe zum Porto do Faro.

Die Kennzeichnung ist dürftig, wird aber bei Erreichen der Gemeindegrenze von Rodeiro besser. Optimal ist etwas anderes, aber was nicht ist kann ja noch werden. Gegen 14.15 Uhr lande ich im gastlichen Hostal Carpinteiras. Der Juniorchef meint, dass kein Zimmer frei sei; seine Mama hat dann doch ein schönes Zimmer für mich. Nach dem Duschen bekomme ich sogar ein Menü.

13. Pilgertag: Rodeiro - Lalin/A Laxe (25,9 km)

Meinen letzten Pilgertag auf dem Camino Invierno beginne ich eine halbe Stunde später als sonst. Meine geplante Strecke beträgt nur etwas mehr als 20 Kilometer und dann sollte 7.00 Uhr als Startrzeit reichen. Ich werde mich im Dunkeln wohl auch nicht verlaufen. Ich finde problemlos aus dem Dorf hinaus. Auch auf der PO-533 bis zur Ponte Hospital geht es gut. Die Gemeinde Rodeiro hat - wenigstens außerhald des Dorfes - relativ gut gekennzeichnet. Es gibt heute auch kaum Stellen, wo ich mir über den weiteren Streckenverlauf unsicher bin. Auf schönen Wegen oder ganz kleinen Sträßchen komme ich schnell nach Lalin. Nur in den winzigen Dörfern haben wieder einpaar Hunde Probleme mit meinem Auftauchen. In lain angekommen finde ich eine offene Bar. Die Bedienung hat aber vom Camino noch nichts gehört. Da die Richtung dennoch klar ist, gelange ich bald zu einer großen Kirche, die tatsächlich offen scheint.

Nach dem Eintreten stehe ich vor einer zweiten Tür. Wenigstens durch ein Glasfenster kann ich einen Blick in das Innere werfen. Weit kann es eigentlich bis zum Hostal Camino de Santiago nicht mehr sein. Ich muss immer weiter ins Tal, dann links abbiegen und dem Trimm-Dich-Pfad folgen. Auf meiner spanischen Übersichtskarte ist dann ein ganz kleines Stück; in Wirklichkeit dann doch ca. 3 Kilometer. Im Hostal werde ich freundlichst aufgenommen. Essen ist okay. Zu besichtigen gibt es absolut nichts, da es direkt an der Nationalstraße in der Nähe des Industriezentrums liegt.

14. Pilgertag: Lalin/A Laxe - Ponte Ulla (29,8 km)

Meine beiden letten Pilgertage verbringe ich auf der Via de la Plata. Ich möchte nur noch zwei Tage laufen und muss daher heute unbedingt bis Ponte Ulla kommen. Da ich die Strecke bereits kenne, beschließe ich bis Bandeira auf der Nationalstraße zu bleiben, was mir einige Kilometer erspart. Trotz der Hitze komme ich schnell voran. In bandeira werde ich um exakt 10.00 Uhr mit Böllerschüssen begrüßt. Ich merke dann ganz schnell an der abgesperrten Hauptstraße, dass auch hier ein Fest stattfindet. Also geht es weiter auf dem Originalcamino. Heute sehe nach zehn Tagen zum ersten Mal wieder Pilger: zwei Spanier. Wir unterhalten uns kurz. Woher, wohin, wie geht's? Die Umleitung, die es vor ein paar Jahren nach Ponte Ulla gegeben hat, existiert nicht mehr. Die Kennzeichnung des Weges ist wieder um ein Vielfaches besser. Wieder gehe ich ins Meson Rio. Die Chefin beäugt mich interessiert. Ich sage ihr, dass ich schon einmal hier genächtigt habe. Für 22 € erhalte ich ein sauberes Einzelzimmer und das beste Menü, das ich auf dem Camino bekommen habe. Laut spanischem Invierno-Führer gilt für das Rio: "excelente relacion calidad precio". Ich kann das nur bestätigen.  Bis zur nächsten Herberge, die sehr schön gelegen ist, hätte ich noch knapp 5 Kilometer gehen müssen. Das muss ich mir nicht antun. Die neue Eisenbahnbrücke, deren Rohbau ich vor Jahren bewundert habe, ist fertiggestellt. Es ist grandios, was ein Saat ohne Geld alles bauen kann.
Auf  Nachfrage erfahre ich, dass um 20.00 Uhr eine Messe sein soll. Der einzige, der vor der Kirche steht, bin ich; also keine Messe. Bei genauerer Betrachtung der Kirche sehe ich, dass die Aufhängung der Glocken Jakobsmuscheln darstellen. Auch ein schönes Detail.

15. Pilgertag: Ponte Ulla - Santiago de Compostela (20,8 km)


Ich kenne den Weg. Also breche ich extrem früh auf. Es ist erstaunlich, aber ich kann mich an ganz viele Einzelheiten des Weges erinnern, obwohl ich ihn nur ein einziges Mal gegangen bin. Zu Beginn folgt ein Stück Nationalstraße, dann geht es links bergauf in den Wald hinein, dann unter der Eisenbahn hindurch. Später folgt ein kleines Dorf. Immer weiter geht es bergauf. Irgendwann weiß ich: Da vorne kommt eine Lichtung, auf der das letzte Mal ein Fuchs zu sehen war. Dann kommt bald die Herberge. Nach der Herberge treffe ich zwei junge deutsche Pilger: eine junge Peregrina a pie aus Hamburg und ein Peregrino a bici aus Garmisch-Partenkirchen. Sie rasten. Wir grüßen kurz. Ich gehe weiter. Markus holt mich kurz darauf ein und schiebt einige Kilometer sein Rad neben mir her. Es ist doch ganz gut, wenn man nicht nur alleine geht. Wir verabschieden uns: Bis bald in Santiago. Um 11.00 Uhr erreiche ich Santiago und werde auch hier mit Glockengeläut empfangen. Im Pilgerbüro werde ich ohne Wartezeit sofort bedient. Ich bin so überrascht, dass ich eine Weile nach meinem Credenzial suche. Die junge Spanierin fragt mich, woher ich komme. Alemania, Heidelberg. Ich bin auch in Heidelberg geboren. Die Welt ist so unglaublich klein. Mein Pilgerdasein wäre eigentlich beendet. Was fehlt ist zum Abschluss eine Pilgermesse. Ich erfahre, dass jeden tag um 8.00 eine deutsche Pilgermesse in der Kathedrale ist. Der Zugang erfolgt durch die Krypta.

Santiago de Compostela

An meinem ersten Nicht-Pilgertag bin ich kurz vor 8.00 in der Kathedrale am Eingang zur Krypta. Außer mir sind nur noch wenige andere Pilger da. Es folgt ein wunderschöner Pilgergottesdienst mit Gedanken des Tagesheiligen Benedikt. Wie sich hinterher heraus stellt war der Zelebrant der Weihbischof Thomas Maria Renz aus Rottenburg. Ich treffe ihn später nochmals auf dem Kathedralenplatz und wir unterhalten uns noch eine ganze Weile.
Ganz weltlich wird es als ich mich auf die Suche nach "Maria del Cafe" mache. Ich hatte sie vor einigen Jahren gesehen und dann nicht mehr gefunden. Wieder einkleines Wunder in Santiago: In der ersten Bar, die ich betrete, hängt ihr Bild.

Was mir seit Jahren in Santiago eigentlich noch fehlt ist ein Essen nach mittelalterlicher Tradition im Hotel dos Reyes Catolicos. Ich gehe also am Dienstag gegen 8.30 Uhr zum Eingang der Tiefgarage. Bis 9.00 Uhr sind wir tatsächlich nicht mehr als zehn Personen. Vier haben einen Rucksack dabei, was streng verboten ist. Die beiden Engländer parken ihre Rucksäcke zwischen den Autos, die beiden Französinnen verzichten. Wir müssen uns mit Angabe der Ausweisnummer in Listen eintragen und unsere Compostela vorzeigen. Dann gibt es einen Laufzettel, auf dem die Zahl acht eingetragen wird. Mit diesem Zettel dürfen wir zum Haupteingang gehen. Dort werden wir von einem Pagen in Empfang genommen und in das Comedor de Peregrinos geführt. Danach marschieren wir in die Küche und dürfen dort unser Frühstück abholen. Es gab Kaffee, Milch, Zucker und zwei verschiedene Sorten süßer Teilchen. Die Hauptsache war wohl aber für alle acht Pilger das Gefühl, ineinem Parador zu essen. Mir gegenüber sitzen zwei junge Mädchen, die - woher sonst - aus Heidelberg kommen.
Wie bereits zweimal zuvor besteige ich auch dieses Jahr das Dach der Kathedrale. Es hat sich wieder gelohnt.
Ganz neu ist das neue Pilgermuseum nebem dem "Pferdebrunnen". Der Eintritt ist frei. Die Macher haben sich sehr viel Mühe gegeben. Das alte Pilgermuseum existiert aber auch noch.
Mein Rückflug ist ryanair-typisch: pünktlich, aber ohne jeglichen Komfort.
Die bekannten Wege habe ich nun fast alle unter die Füße genommen. Vielleicht sollte ich doch wieder einmal ein längeres Stück auf dem Camino Frances gehen.
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